Klangwerkstatt Berlin

Festival für Neue Musik


1. bis 18. November 2018

Sonntag 4.11.

Mikrophonie III

21.00 Uhr Kunstquartier Bethanien

Suono Mobile global

  • Maximilian Marcoll PERSONAL DATA (2013) Eine Sprechperformance zur Kommunikationsüberwachung (Einspielung via Bildschirme)
  • Ian Mikyska Acoustic Rituals (2017 UA) for electronic ensemble and noise objects.

Kompositionsauftrag Klangwerkstatt Berlin in Kooperation mit KlangZeitOrt – Institut für Neue Musik der UdK Berlin und HfM Hanns Eisler Berlin)

  • Uwe Rasch aus vierundzwanzig: singSang einundzwanzigzwölf (2010/16 UA) für Oboe und Elektronik
  • Thomas Nathan Krüger W#2 (2016) für Performer und Video
  • Pause
  • Michael Maierhof Untergrund 1 (2000/01) für 4 Spieler
  • Maximilian Marcoll ♥ SCORE FETISH (2015) for three performers and keyboard controlled amplification
  • Malte Giesen Die Oboe ist mächtiger als das Schwert (2014/15) für Oboe, Elektronik und Video

Suono Mobile global Christian Kemper – Oboe | Felix Behringer – Klarinette | Neus Estarellas – Klavier | Malte Giesen – Elektronik | Thilo Ruck – ad hoc | Thomas N. Krüger – Performance/ad hoc

Suono Mobile global
Suono Mobile global

Acoustic Rituals: Natural and artificial, ordinary or exceptional, commonplace or transcendent. This piece, written for Ensemble Suono Mobile, explores these dichotomies through the use of a few select electronic sounds, a few heightened acoustic sounds, and pre-recorded video and sound. The video material contains a number of recordings of a banjo played with electromagnetic vibrations and various preparations, sitting in a space between electronic and acoustic, between physical and immaterial. (Ian Mikyska)

aus vierundzwanzig: singSang einundzwanzigzwölf: Marginalisierten wird die Partizipation an „Gesellschaft“ vorenthalten und/oder sie ziehen es von sich aus vor, am Rand zu leben und sich dort zu bewegen; ein Problem das in allen modernen Gesellschaften zu beobachten ist und für das Lösungen nach wie vor ausstehen. Ein wesentlicher, früher Beitrag ist die Winterreise von Franz Schubert nach Texten von Wilhelm Müller, die in einer Zeit geschrieben wurde, in der sich die moderne, industrialisierte Gesellschaft bildete. Die Arbeit von Schubert und Müller begreife ich als ein Beispiel medialer Arbeit über marginalisierte Personen in urbanen Zusammenhängen, die bis heute in jeder Großstadt zu finden, aber kaum wahrnehmbar sind. Die zeitspezifische Umsetzung versteckt sich bei Müller/Schubert in Zeiten der Zensur hinter einer Liebesgeschichte, die für eine zeitgenössische Bearbeitung des Themas nicht nötig ist. Deshalb bietet die enttäuschte romantische Liebe für meine Arbeit keinen Anlass mehr, das heißt der Text und die Musik bilden lediglich einen Assoziationsrahmen, Ausgangspunkte für (gezielte) produktive „Missverständnisse“ oder auch Widerstände in der Suche nach Musik und Bildmaterial. In einem work in progress wurden in den letzten Jahren durch Fischen in den Abfalltonnen des realen Lebens wie des Medienmülls einzelne Lied- oder Textteile adaptiert, zu Modulen geformt und zu unterschiedlichen Stücken ausgearbeitet.

„aus vierundzwanzig: einundzwanzig/zwölf singSang“ bezieht sich auf die Schubertschen Lieder Nr. 21 "Das Wirtshaus" und Nr. 12 "Einsamkeit", zwischen deren Tonhöhenfolgen sich der Oboist bewegt und diese verlassend in Höhen treibt, weit über die Melodietöne hinaus. (Uwe Rasch)

w#2 Der Titel ist bereits Programm. Das Stück ist die Fortsetzung einer Serie von Arbeiten, deren zentrales künstlerisches Prinzip das der Nachahmung ist. Die Technik des Nachahmens, überlebensnotwendig für die Entwicklung jedes Menschen, ist der Musik und ihrer Geschichte ebenso facettenreich in künstlerischer und pädagogischer Weise eingeschrieben (worden). Als Lehr- und Lernmethode ist sie allseits präsent.

Als künstlerisches Prinzip wirft das Nachahmen unter anderem Fragen von Autorschaft auf und verweist trotz alledem auf ein bewusstes Traditionsverständnis. Durch die begriffliche Pluralität des Mimetischen drängt sich zudem eine Technik auf, die sich bereits im Titel niederschlägt: im Englischen wird aus dem deutschen „weh“ das englische „double u“ und offenbart damit, dass auch Übersetzung als ein kompositorisches Werkzeug verstanden werden kann – ob zur Anbindung der Klang-Welt an die Wirklichkeit oder zur Ausstellung immanent musikalischer Zusammenhänge. (Thomas Nathan Krüger)

Die vier Spieler in Untergrund 1 aktivieren ein Instrument, das aus vier Fliesen (zwei glatte Vorderseiten und zwei strukturierte und raue Rückseiten) und vier flexiblen Strukturblechen, Streckgittern und Stahlgeweben zusammengesetzt ist. Sie spielen mit Glaskugeln, die sie mit genau notierten Geschwindigkeiten auf diesen unterschiedlichen Untergründen kreisen lassen. Die acht Strukturen sind so montiert, dass sie das gleiche Oberflächenniveau haben, es also möglich ist, die Kugeln über verschiedene Strukturen zu führen, wodurch sich „zusammengesetzte“ Klänge ergeben. Die Klangstrukturen ergeben sich aus Lage der Kreislinie auf dem zusammengesetzten Untergrund, so wie die Dynamik sich definiert über die Kreisgeschwindigkeit, je höher sie ist, desto lauter ist der Klang. Über Ankerpunkte und Ankersektionen auf der Kreislinie ist es den Schlagzeugern möglich, ihre Kreisbewegungen genau zu synchronisieren. (Michael Maierhof)

In Die Oboe ist mächtiger als das Schwert geht es darum, das Vertraute fremd zu machen und auch anders herum, das anfänglich Fremde besser zu verstehen. Kurz: um Perspektivenwechsel. Der Bericht ist nicht die Wirklichkeit. Die Nachricht ist immer selektiv. So geht es auch nicht speziell um die Oboe und ihre Klangmöglichkeiten. Sie repräsentiert, wird symbolhaft, mit einfachstem Material, der Oboist selbst wird durch sein Vorkommen im Video selbst zur medialen Nachricht (auch er wird „verfälscht“), vermischt sich mit der alltäglichen Bilderflut, das Fremde rückt näher, das Vertraute wird fremd. Die Oboe als Waffe (die ganz konkrete Ähnlichkeit zu Schusswaffen). Ein Versuch, zu verstehen, wie mediale Repräsentation und künstlerische Darstellung Sachverhalte verändern kann. Zudem ein ständiger Balance-Akt zwischen semantisch-dramaturgischen Zusammenhängen und klanglich-struktureller Formgebung.

In diesem Sinne ist der Untertitel „Hymne für ein nicht existierendes Land“ so zu verstehen, dass „das Land“ nicht existieren sollte. Das Konzept des Nationalstaats ist ein überkommenes und sogar gefährliches Modell. Astronauten berichten nach Aufenthalten auf der ISS immer wieder, dass die Idee von Landesgrenzen da oben völlig unverständlich wird, erst die Außenperspektive wirklich klar macht, dass wir alle „in einem Boot“ sitzen und jegliche Form von Abgrenzung willkürlich und sinnlos ist. (Malte Giesen)