Klangwerkstatt Berlin

Festival für Neue Musik


8. bis 17. November 2019

Sonntag 10.11.

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20.00 Uhr Kunstquartier Bethanien

PER:SPECTIVE

Ensemble LUX:NM

Ensemble LUX:NM © Vincent Stefan
Ensemble LUX:NM © Vincent Stefan

Das Ensemble LUX:NM leistet sich den Luxus der Weite als Perspektive, verändert die Ausschnitte und lauscht in die verschiedenen Richtungen der musikalisch ganz eigenen Sprachen von Annesley Black, Sebastian Stier, Dustin Zorn, Yair Klartag und Birke Bertelsmeier.

Die Sehnsucht und den Drang, hinter den Vorhang, hinter die Wand zu schauen, auf die andere Seite zu blicken, die wir nicht kennen oder vergessen haben, erkundet Birke Bertelsmeier in ihrem Stück al di là (italienisch „jenseits, auf der anderen Seite“). Darin begibt sich die Komponistin auf die Suche nach dem Vertrautem im Anderem. Ein schnellerer und zarter Puls von der anderen Seite in sich selbst, durch die Haut wahrnehmbar, beschreibt Bertelsmeier ihr Stück, ein Zeichen von einer, von den vielen anderen Seiten, unvorstellbar und doch präsent.

Während Bertelsmeier mit dem Wechsel der Perspektiven spielt, testet Annesley Black in ihrem Stück scrap die Grenzen zwischen vielen einzelnen Fragmenten aus. „Scrap“ bedeutet so viel wie „Fetzen“ oder „Bruchstück“, beschreibt aber ebenso den Prozess des Verwerfens oder Ausmusterns von etwas Unbrauchbarem. Der Fokus liegt auf dem kleinsten hörbaren Element, das in immer kleinere Zellen unterteilt wird. Aus winzigen Partikeln entstehen wieder neue ‚scraps‘ und damit neue Verbindungen zwischen ihnen.

Anhand eines „Fallbeispiels“ entwirft und baut Dustin Zorn sein Stück Lagny als Studie über unterschiedliche Wahrnehmungsebenen von Zeit: Lagny ist eine Schlafstadt von Paris an den Hügeln im Tal der Marne. Der Ort ist durch den Zug mit der Hauptstadt verbunden. Auf dem Weg von Lagny nach Paris muss die Marne überquert werden. Während des Übergangs verschwimmen zwei Zeitwahrnehmungen. Im Alltag der Bewohner zwischen Arbeit und Leben schwappen diese Lebensrhythmen über ihre topographischen Grenzen und werden in der Psyche zu zwei widerstreitenden Realitäten.

Auf die Suche nach Wahrhaftigkeit begibt sich Yair Klartags Stück Goo-prone. Den Titel hat der israelische Komponist dem 1996 veröffentlichten Roman Unendlicher Spaß (Infinite Jest) von David Foster Wallace entlehnt. Für dieses Spiel aus Nähe und Distanz, Ironie und Ernsthaftigkeit verwendet Klartag nicht nur die Instrumente des Ensembles, sondern auch deren elektronisch manipulierte Verfremdungen, so dass der Eindruck entsteht, die Instrumente würden ihre Identitäten tauschen.

Der Titel von Sebastian Stiers Stück Die Tatsache des Käfigs stammt ebenfalls aus Wallace’ Roman Unendlicher Spaß! Die Komponisten hatten sich nicht abgesprochen und so bedeutet die Programmierung dieser beiden Stücke ganz unabsichtlich auch einen Perspektivwechsel im Blick auf dieselbe literarische Vorlage. Stier geht es in seiner Komposition um den grundsätzlichen Widerspruch zwischen formaler Setzung und einem an sich prozesshaft organisiertem Material. Kurz: Die Lebendigkeit der musikalischen Verläufe stößt immer wieder an die Grenzen einer vorstrukturierten Form.

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20.00 Uhr Kunstquartier Bethanien

PER:SPECTIVE

Ensemble LUX:NM

  • Annesley Black scrap (2019) für Saxophon, Posaune, Klavier, Akkordeon, Violoncello, Live-Elektronik
  • Sebastian Stier Die Tatsache des Käfigs (2019 UA) für Altsaxophon, Posaune, Klavier, Akkordeon und Violoncello – Kompositionsauftrag der Edition Juliane Klein gefördert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung
  • Dustin Zorn Lagny (2019 UA) für Tenorsaxophon, Posaune, Klavier, Akkordeon und Violoncello – Kompositionsauftrag der Klangwerkstatt Berlin
  • Yair Klartag Goo-prone (2017) für Saxophon, Posaune, Violoncello, Klavier, Akkordeon und Elektronik
  • Birke Bertelsmeier al di là (2017) für Saxophon, Posaune, Akkordeon, Violoncello und Elektronik

Ensemble LUX:NM Ruth Velten – Saxophone | Florian Juncker – Posaune | Silke Lange – Akkordeon | Vitaliy Kyianytsia – Klavier | Zoé Cartier – Violoncello | Martin Offik – Klangregie
Auftragswerke des Ensemble LUX:NM finanziert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung.