Kunstquartier Bethanien, Studio 1

Sonntag 14.11., 17.00 Uhr – Videodokumentation

We belong to the glade …

Ensemble Compas & Kim Schrader

© André Fischer
© André Fischer

Programm

  • Ursula Mamlok
    Variations(1961)
    für Flöte solo
  • Jobst Liebrecht
    8 Lieder auf Gedichte von Bertolt BrechtUA(2021)
    für Tenor und Klavier
  • Ursula Mamlok
    Terzianum(2006)
    für Flöte und Violine
  • Jobst Liebrecht
    3 Songs and Interludes on Poems by Michael HamburgerUA(2021)
    für Tenor und Gitarre
  • Adriana Hölszky
    Snowbirds (like a bird II). Hommage à György Kurtág(2006)
    für Violine und Klavier
  • Interview
    Bettina Brand (Dwight und Ursula Mamlok-Stiftung), Jobst Liebrecht und Gerhard Scherer im Gespräch mit Leonie Reineke

Ensemble Compas & Kim Schrader

Malin Sieberns – Flöte | Josefine Andronic – Violine | Kanahi Yamashita – Gitarre | Zhifeng Hu – Klavier | Kim Schrader – Tenor
Leitung: Jobst Liebrecht


Das junge Ensemble Compas stellt zusammen mit dem Tenor Kim Schrader ein kammermusikalisches Programm vor, in dem es um Erfahrungen von Exil, Heimatverlust und -suche, Zuflucht in der Fremde und in der Musik geht. Es sind die Themen der aus Berlin stammenden deutsch-amerikanischen Komponistin Ursula Mamlok (1923-2016), deren Musik den Mittelpunkt dieses Konzerts bildet.

Aufgrund ihrer jüdischen Abstammung von den Nationalsozialisten verfolgt, verließ Ursula Mamlok gemeinsam mit ihren Eltern Berlin und flüchtete 1939 nach Ecuador. 1940 bekam sie ein Stipendium an der Mannes School of Music und ging als Siebzehnjährige allein nach New York. Sie studierte in den folgenden Jahren Komposition und wurde zu einer der bedeutendsten Komponistinnen der USA. 2006 – nach fast 70 Jahren in den USA – kehrte sie nach dem Tod ihres Mannes Dwight Mamlok nach Berlin zurück, wo sie 2016 starb.

Die Variations für Flöte solo, entstanden 1961, kennzeichnen einen kompositorischen Umschlagpunkt in Mamloks Werk. Bis Ende der 1950er Jahre komponierte sie, wie sie selbst später ihr frühes Werk beschrieb, im Stil von Paul Hindemith. Anfang der 1960er Jahre begann eine Suche nach neuen Stilen und Wegen. Stefan Wolpe, ebenfalls Berliner jüdischer Herkunft, der von den Nationalsozialisten verfolgt über Palästina nach New York emigriert war, wurde für kurze Zeit ihr Lehrer, bis Ursula Mamlok Stefan Wolpes Schüler Ralph Shapey kennen lernte, unter dessen Einfluss sie ihren eigenen, komplexen Stil entwickelte. Direkt davor erprobte sie erstmals Schönbergs Zwölftontechnik.

Terzianum für Flöte und Violine entstand im Jahr ihrer Rückkehr nach Berlin. „Es ist eine Rückkehr in die Geburtsstadt“ und „nicht in die ‚Heimat‘“, wie Ursula Mamlok sagte, denn: „Meine Heimat ist die Musik“. Der Titel des Stücks nimmt Bezug auf den Namen der Seniorenresidenz in Berlin, in der Mamlok seit ihrer Ankunft in Berlin lebte.

Dem Werken Mamloks sind zwei Liederzyklen des aus Hamburg gebürtigen, seit langen im Berlin lebende Dirigent und Komponisten Jobst Liebrecht (*1965) gegenüber gestellt. Liebrecht wählte für seine Lieder Exil-Gedichte Bertolt Brechts und Gedichte des Deutsch-Briten Michael Hamburger, die mit Ursula Mamlok das Schicksal von NS-Verfolgung und Flucht aus Berlin teilten. Zu diesen Liedern schreibt Liebrecht: „Sowohl meine Brechtvertonungen als auch die Lieder auf Gedichte von Michael Hamburger handeln vom Exil und der dort nötigen privaten Zuflucht. Beim Nachdenken darüber, warum ich gerade jetzt diese Gedichte vertont habe, komme ich darauf, dass ‚Exil‘, wenn man es nicht real durchleben musste, in der heutigen Situation vielleicht auch als Gefühl der privaten Fremdheit nachgezeichnet werden kann. Ob in einem Gedicht wie Lehren ohne Schüler von Brecht oder in dem ersten Gedicht von Michael Hamburger über einen verstorbenen Meister – überall steht der Verlust hinter allen Äußerungen. In dieser Situation des Beraubtseins ist die private Zuflucht allein rettend – bei Michael Hamburger im dritten Lied über die Lichtung mit We belong to the Glade besungen, bei Brecht in kurzen Epiphanien beim Anblick von Tannen, beim Erleben seines Gewächshauses skizziert.“

Den Abschluss bildet das Duo Snowbirds (like a bird II). Hommage à György Kurtág der in Rumänien geborenen Komponistin Adriana Hölszky (*1953) ungarisch-deutscher Herkunft. Zu ihrem Stück schreibt sie: „Die Komposition Snowbirds für Violine und Klavier basiert auf meinem Werk Like a Bird für Violine solo, das 2006 im Rahmen der Konzertreihe ‚Musikalische Dialoge‘ der Stiftung Schloss Neuhardenberg in Anwesenheit von György Kurtág uraufgeführt wurde. Der Klang der zwölf ‚Flugphasen‘ der Gesamtstruktur verhält sich wie ein Seevogel, der mal pfeilartig in die Höhe zischt oder flach über den Wellen flaniert. Die Klangfarbentransformationen von Impulsverkettungen bewirken ein elastisches Dehnen und Schrumpfen des Makroklangs. Der Aspekt der Klangmobilität spielt hier eine wesentliche Rolle für die differenzierte Wahrnehmung der Einzelphänomene.“