Kunstquartier Bethanien, Studio 1
Freitag 8.11., 19.00 Uhr – Videodokumentation
Hold the Line & tvvo:id
Ensemble Trigger & Theo Nabicht & Nazarii Stets

Ein langer Abend über Kommunikation: über ihre Gefährdung, ihr Scheitern und die Utopie des Gelingens.
Hold the Line
Programm
- Antje Vowinckel
Hold the Line … Musik für WarteschleifenUA(2024)
Komposition für Bläserensemble mit Bandansagen und Call-Center-Stimmen Auftragswerk der Klangwerkstatt Berlin. Die Recherche für das Stück wurde durch ein Stipendium des Musikfonds unterstützt. - Interview
Antje Vowinckel im Gespräch mit Leonie Reineke
Ensemble Trigger
Chris Heenan – Kontrabassklarinette & Sopransaxophon | Nils Ostendorf – Trompete | Matthias Müller – Posaune | Antje Vowinckel – Sopransaxophon
Moderation und Gespräche: Leonie Reineke
Hold the Line
Beim Warten in der Schleife soll Popmusik uns ablenken, die Zeit vergessen lassen. Genussvolles Zuhören stellt sich allerdings kaum ein. Gleichzeitig will man den Moment, wenn jemand den Hörer abnimmt, nicht verpassen. Also bleiben wir dran …
Der kafkaeske Telefonraum des globalen Call-Center-Niemandslandes erstreckt sich an diesem Abend im Bethanien. Das Warten bekommt einen neuen Klangraum und wer nicht aufgibt, wird verbunden. Für das Stück haben Antje Vowinckel und Assitent:innen mehrere Tage mit weltweiten Hotlines und Service-Nummern telefoniert und geduldig gewartet, bis sie erhört wurden. Doch dieser Moment ist unwägbar geworden: Künstliche Intelligenz? Programmierte Stimmen? Wer spricht? Wo? Wie erkennt man eine echte Stimme?
Dank an: Leon Düvel, Zach Hart, Aude Langlois, Martin Moolhuijsen
Antje Vowinckel
Antje Vowinckel wird für das Projekt Hold the Line von der inm – initiative neue musik berlin unterstützt.
Direkt im Anschluss:
tvvo:id
Programm
- GANZES KONZERT: Albert Saprykin, Ihor Zavhorodnii & Anna Arkushyna
tvvo:idUA(2024) - Interview
Anna Arkushyna und Albert Saprykin im Gespräch mit Leonie Reineke - Albert Saprykin
; IUA(2024)
für Kontrabass (Videozuspiel), Kontrabassklarinette und Bildschirm - Ihor Zavhorodnii
я тут, з тобою (I'm here, with you)UA(2024)
für Kontrabass (Videozuspiel), Kontrabassklarinette und Metronom (Audiozuspiel)
; IIUA
- Anna Arkushyna
Delivered.UA(2024)
für Kontrabass (Videozuspiel) und Kontrabassklarinette
; IIIUA
Theo Nabicht – Kontrabassklarinette | Nazarii Stets – Kontrabass (als Zuspiel)
Kyiv Contemporary Music Days
Daria Vdovina, Iryna Biloborodova – Projektleitung | Mykhailo Chedryk, Les Vynogradov – Projektassistenz | Khrystyna Melnyk, Mariia Tytova, Polina Horodyska – Kommunikation | Taras Tarasov, Oleksandr Shatskyi – Videoaufnahme | Kseniia Yanko, Serhii Anishchenko – Fotografie | Maksym Hladetskyi – Audiobearbeitung | Max Miklin – Videobearbeitung | Vasyl Lutsyk, Tetiana Melnychenko – Rechtliche Beratung | Albert Saprykin – Künstlerische Leitung
Moderation und Gespräche: Leonie Reineke
Ein Solist auf der Bühne im Duett mit einem unsichtbaren Gegenüber. Die Musiker trennen Ort, Zeit und Krieg. Der eine spielt live in Berlin, der andere ist als Aufnahme präsent, die wenige Wochen zuvor in Kyjiw während eines Konzerts entstanden ist. Das ukrainische Konzert sendet mit dem unvollständigen Duo ein „Signal“ aus dem kriegsversehrten und isolierten Kyjiw in das friedliche Berlin. Der ukrainische Musiker weiß nicht, ob der Dialog mit dem Gegenüber in Berlin gelingt. Hier in Berlin ergibt sich daraus ein Dialog, den das Gegenüber aber nicht hört.
tvvo:id
; I
я тут, з тобою (I'm here, with you)
; II
Delivered.
; III
tvvo:id – dieser unaussprechliche Titel evoziert den Zustand eines Menschen, der eine überwältigende Erfahrung macht, die sich nicht in Worte fassen lässt. Dieser Zustand ist jedoch unmittelbar wahrnehmbar – in der Stille eines wortlosen Spaziergangs mit einem geliebten Freund unter den heulenden Luftschutzsirenen im Kyjiwer Stadtteil Podil; in der Stimme eines Kollegen im Videotelefonat, dessen geliebte Angehörige im Kampf gefallen ist; oder in den tränengefüllten Augen einer Fremden in der S-Bahn, die sich ihre Tränen mit Taschentüchern mit der ukrainischen Flagge auf der Verpackung trocknet.
Es geht um die Interaktion zwischen dem „Ich“ und dem „Anderen“ (tvvo). Es geht um Selbstidentifikation (id), die nur durch den Kontakt mit dem Anderen möglich ist, und um die klaffende Lücke zwischen beiden (void). Es geht darum, ein Signal in den Abgrund zu senden, ohne zu wissen, ob es überhaupt jemanden erreicht, geschweige denn den intendierten Empfänger. Es geht darum, etwas zu sagen, nur um mitten im Wort die Stimme zu verlieren (:).
Wir haben die Stimme von Nazarii Stets (Kontrabass) am Mittwoch, den 16. Oktober 2024 in Kyjiw aufgenommen. Heute wird diese Aufnahme als Video- und Audiosignal übertragen, das 23 Tage lang nach Berlin reiste, während Theo Nabicht (Kontrabassklarinette) hier live spielt.
Am 18. Dezember 2024 wird ein ähnliches Konzert zu Hause stattfinden – in Kyjiw, diesmal mit Theo, dessen Signal Nazarii und das Kyjiwer Publikum erreichen wird.
So schließt sich der Kreis.
Albert Saprykin
Albert Saprykin: ; (2024)
was bedeutet es, die Tiefen eines Abgrunds zu sein, eines Abgrunds, der das Signal empfangen hat und den Absender kennt? zu wissen, dass der Absender es nie erfahren wird? nein? oh.
Albert Saprykin
Ihor Zavhorodnii: я тут, з тобою (I'm here, with you) (2024)
Diese Musik handelt von der Liebe in Kriegszeiten. Eine Liebe, die begonnen hat, sich an ihr Dasein ohne Zukunft zu gewöhnen. Deshalb ist jeder kleine Pulsschlag dieses Lebens nur der Pulsschlag dieser Liebe.
Ihor Zavhorodnii
Anna Arkushyna: Delivered. (2024)
Delivered. erforscht die emotionale Spannung und Unsicherheit, die entsteht, wenn eine Nachricht den Status ‚zugestellt‘ anzeigt, aber ‚ungelesen‘ bleibt. In Zeiten des Krieges, in denen viele Menschen durch große Entfernungen getrennt sind, erhalten diese einfachen Benachrichtigungen eine tiefgreifende Bedeutung: Wenn die Nachricht gelesen wird, bedeutet dies, dass die Person am Leben ist. Wenn jedoch das zweite Häkchen nicht erscheint, befindet sich der Absender in einem Schwebezustand, gefangen in einem bangen Warten. Viele Menschen verharren in diesem Zustand auf unbestimmte Zeit, während ihre Angehörigen vermisst werden, in Gefangenschaft geraten oder umkommen – mit dem einzigen sichtbaren Zeichen, dem einzigen Wort „Delivered“.
Dieses Stück fängt die Erfahrung des Wartens, die Last der Ungewissheit und die emotionale Belastung ein, die für viele ein fester Bestandteil des täglichen Lebens geworden ist.
Anna Arkushyna