Kunstquartier Bethanien, Studio 1
Mittwoch 13.11., 12.30 Uhr – Videodokumentation
Tafelmusik – Musik und Imbiss zur Mittagszeit
Ensemble JungeMusik Berlin

Programm
- Aigerim Seilova
QuraqUA(2024)
für Oboe soloAuftragswerk der Klangwerkstatt Berlin - Yasuko Yamaguchi
Windesspuren(2017)
für Klarinette und Akkordeon - Ulrich Kreppein
Schrift(2015)
für Flöte solo - +++ Mittagsimbiss +++
- Helmut Zapf
Odem II(2002)
für Akkordeon und Klavier
Ensemble JungeMusik Berlin
Erik Drescher – Flöte | Cornelius Finke – Oboe | Matthias Badczong – Klarinette | Christine Paté – Akkordeon | Nadezda Tseluykina – Klavier
Musiker:innen bitten zu Tisch! Klangvolles und Schmackhaftes zur Mittagszeit. Fünf Mittagskonzerte mit dem Ensemble JungeMusik bieten im hektischen Alltag Einkehr und Raum, Musik mit anderen Ohren zu hören und mit den Künstler:innen ins Gespräch zu kommen. Der Flötist Erik Drescher kocht für uns.
Im Mittelpunkt stehen fünf eigens komponierte Miniaturen für Oboe, die sich wie ein roter Faden durch die Woche ziehen. Zu hören sind tägliche Oboensoli von Xuan Yao, Bernd Lauber, Irina Emeliantseva, Kaspar Querfurth und Aigerim Seilova.
Aigerim Seilova: Quraq (2024)
Quraq für Oboe solo greift das traditionelle kasachische handwerkliche Patchwork-Verfahren auf, um es in eine musikalische Syntax zu überführen. Hier dient die Oboe nicht nur als klangliche Schnittstelle, sondern als Medium für eine strukturelle Verdichtung und Dekonstruktion divergenter Materialien. Die verschiedenen „Flicken“ – artikulatorische Extreme, mikrotonale Verschiebungen, multiphonale Texturen – stehen in bewusstem Kontrast, schaffen jedoch durch subtile Vernetzung eine formale Kohärenz.
Das Werk, das dem Interpreten Cornelius Finke auch gewidmet ist, fordert ihn sowohl technisch als auch konzeptionell und reflektiert die ästhetische Dialektik von Bruch und Zusammenhalt.
Aigerim Seilova
Yasuko Yamaguchi: Windesspuren (2017)
Zwei Instrumente malen mit ihrem Atem (Wind) Spuren in die Luft. Windesspuren wurde für das Taifun duo komponiert und von diesem in Oulu, Finnland, uraufgeführt. Heute erlebt das Stück seine deutsche Erstaufführung.
Yasuko Yamaguchi
Ulrich Kreppein: Schrift (2015)
Daniil Charms (1905-1942, eigentlich Daniil Juwatschow) war ein russischer Dichter, der seit den 1920er Jahren in der Leningrader Avantgarde-Szene aktiv war. Er beschäftigte sich mit translogischen Laut- und Wortexperimenten im Geist des Futurismus, konzipierte gemeinsam mit befreundeten Künstlern quasi-dadaistische Aktionen und erprobte in Prosa-Miniaturen Logiken des Absurden. Im kulturpolitischen Klima des Stalinismus waren solche Schreibweisen nicht erwünscht. Die Publikation von Charms’ Werken wurde durch die Zensur weitestgehend verboten, er selbst wurde mehrfach verhaftet, 1942 kam er in der Haft ums Leben. Seine Texte loten die Grenzen und Möglichkeiten der Darstellbarkeit der Welt aus und kommentieren die totalitäre Realität der Sowjetunion.
In Schrift arbeitet Ulrich Kreppein mit zwei Texten von Daniil Charmes: den einen, „Es war einmal ein rothaariger Mann“ (1939), lässt er den Flötisten in Musikpausen sprechen, den anderen, „Das Unendliche, das ist die Antwort auf alle Fragen“ (1932) artikuliert dieser während des Spiels, dem Zuhörenden zumeist unverständlich, als Teil des klanglich-musikalischen Geschehens.
Helmut Zapf: Odem II (2002)
Ganz im Sinne des Titels wollen die Kompositionen dieser Serie auf die spezielle Bedeutung der Atmung in der Musik hinweisen. Der Odem hat gegenüber dem Wort Atem eine besondere Bedeutung. Er steht für Verdichtung, Erhebung bzw. Überhöhung dessen und meint mehr als den rein physischen Vorgang der Atmung, er ist Symbol für Schöpfung, Freiheit und Kreativität. Odem steht aber auch als Inbegriff von Vergänglichkeit und immer neuem Werden: Prozesse, in denen zerbrechliche Klanggeflechte entstehen, welche sich der Konkretisierung zwar beständig entziehen, als Klanggeschehen aber unnachgiebig fortleben und selbst im Verklingen Unbekanntes und Neues erfahrbar werden lassen … Damit ist auch die Wahl der Instrumente für dieses Stück nicht zufällig: Das Akkordeon als wirkliches „Atmungsinstrument“ und das Klavier als das totale mechanische Gegenteil finden ihren gemeinsamen Ausdruck in den verschiedenen musikalischen Parametern (Dynamik, Phrasierung, Rhythmik, Harmonik usw.) und in der unverzichtbaren „musikalischen Atmung“ beider Interpretinnen.
Helmut Zapf