Kunstquartier Bethanien, Studio 1
Dienstag 8.11., 12.30 Uhr – Videodokumentation
Tafelmusik und Mittagsimbiss aus der Schweiz
Ensemble JungeMusik Berlin & Duo Sonoro Kiew als Gast aus der Ukraine
Programm
Prolog Ukraine- Zoltan Almashi
Introduction to a non-existent song(2015)
für Violine und Klavier
Schweiz- Stefan Keller
… für die Flamme begeistert …(2002)
für Oboe solo - Max E. Keller
Siebensang(1995)
für Flöte solo - Stephanie Haensler
Heidiidyll(2021)
für Violoncello solo - Lukas Stamm
traces(2022)
für Flöte, Cello und Klavier
Duo Sonoro Kiew
Andrii Pavlov – Violine | Valeriia Shulga – KlavierEnsemble JungeMusik Berlin
Erik Drescher – Flöte | Cornelius Finke – Oboe | Lillia Keyes – Violoncello | Nadezda Tseluykina – KlavierGesamtleitung: Helmut Zapf
Mitglieder des Ensemble JungeMusik Berlin präsentieren täglich Musik aus einem anderen Land. Zu hören sind an diesem Tag Kompositionen von Schweizer Komponist:innen. Dazu wird ein landestypischer Imbiss gereicht.
Besonders freuen wir uns, aus gegebenem Anlass und als täglichen Höhepunkt, dass das Duo Sonoro aus Kiew bei der Tafelmusik zu Gast ist. Der Geiger Andrii Pavlov und die Pianistin Valeriia Shulga führen in einem Prolog zu den Länderportraits an jedem Tag eine Komposition von ukrainischen Komponist:innen auf.
Im Zeichen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist es uns wichtig, der ukrainischen zeitgenössischen Musik einen Raum zu geben und auf diese Weise dazu beizutragen, Kunst und Kultur der Ukraine sichtbar zu machen. Das Duo Sonoro ist Teil der heute außerordentlichen vielfältigen und lebendigen Musikszene, die sich seit der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 in Kiew und vielen anderen Städten entwickelte.
Das Duo Sonoro wurde vor mehr als zehn Jahren als festes Ensemble gegründet. Der sich entwickelnde internationale Ruf des Duos wurde durch Spitzenpreise bei internationalen Wettbewerben bestätigt. Das Duo Sonoro konzertierte an den wichtigsten Veranstaltungsorten in der Ukraine wie der Kiewer Philharmonie, der Philharmonie von Odessa, der Oper von Lwiw und der Oper von Charkiw sowie zahlreiche internationale Auftritte in Spanien, Deutschland, Litauen, Niederlanden, Italien, Österreich und Polen.
Darüber hinaus trat Andrii Pavlov trat als Solist insbesondere mit dem Radio-Symphonieorchester Wien, dem Nationalen Symphonieorchester der Ukraine, der Lemberger Philharmonie, dem New Era Orchestra und den Kyiv Soloists auf. Valeriia Shulga konzertiert in anderen Kammermusikgruppen und ist auch als Konzertmeisterin tätig. Beide Musikerinnen unterrichten seit kurzem an einer der ältesten Musikhochschulen Osteuropas, der Reinhold Glier Municipal Academy of Music in Kiew.
Am heutigen Tag bringt das Duo Sonoro ein Stück von Zoltan Almashi (*1975) mit. Almashi ist ukrainischer Komponist, Cellist, Pädagoge, Musikaktivist, Gründer und künstlerischer Leiter des Levko Revutskyi String Quartet (seit 2018) sowie Mitgründer und Manager des klassischen und zeitgenössischen Kammermusikfestivals Gulfstream.
In seinem Werk strebt er nach leuchtenden Bildern, emotionalem Ausdruck, struktureller Klarheit und dramatischer Vollendung. Er konzentriert sich im Allgemeinen auf neoromantische Tendenzen in der zeitgenössischen Musik, macht aber auch ausgiebig Gebrauch von kompositorischen Mitteln des 20. Jahrhunderts. Er verwendet aktiv folkloristische Samples, experimentiert mit Genres und Stilen der Musik früherer Epochen und erkundet ebenso neue Klänge und Formen der musikalischen Kunst.
Zoltan Almashi schreibt zu seinem Stück Introduction to a non-existent song: „Der Titel des Stücks verweist auf das hemmungslose, aber illusorische Streben nach dem Ideal. Die Unmöglichkeit, das Ideal zu erreichen, wird auf dem Höhepunkt des Stückes demonstriert, es ist … Lange Pause! Die Länge dieser Pause hängt von der Einstellung und dem Temperament der Interpreten ab, aber ich denke, sie sollte ‚so lang wie möglich‘ sein. Sie können mich fragen: Was ist für Sie ein Ideal? Für mich, der ich im 21. Jahrhundert in Europa lebe und die Prozesse in der Musik des 20. Jahrhunderts und die von heute kenne: Das Lied, die Melodie ist ein Ideal. Also, bitte, akzeptieren Sie meine Kapitulation, meine Demut und mein Streben nach dem nicht existierenden idealen Lied!“ (Zoltan Almashi)
Auf dem Programm des Ensemble JungeMusik Berlin steht Musik von Schweizer Komponist:innen. Stefan Keller, 1974 in Zürich geboren, seit seinem Studium an der HfM Hanns Eisler in Berlin ansässig, gehört zu den erfolgreichsten Schweizer Komponisten seiner Generation. Über sein Stück für Oboe solo, das vor 20 Jahren hier in Berlin uraufgeführt wurde, schreibt er:
„… für die Flamme begeistert … verknüpft motivische Variation auf radikale Weise mit komplexen und kleingliedrigen Änderungen des Tempos. Der Titel entstammt einem der Sonette an Orpheus (zweiter Teil, XII) von Rainer Maria Rilke, dessen Beginn wie folgt lautet:
‚Wolle die Wandlung. O sei für die Flamme begeistert,
drin sich ein Ding dir entzieht, das mit Verwandlungen prunkt; …‘“ (Stefan Keller)
Max E. Keller (*1947) gehört zur älteren Generation Schweizer Komponisten. Er war einer der ersten Freejazzmusiker der Schweiz. Von 1966–73 spielte er Freejazz und improvisierte Musik nach eigenen Konzepten auf dem Klavier und auf elektronischen Instrumenten in Konzerten und Rundfunkaufnahmen. Seit 1973 hat er über 90 Kompositionen für verschiedenste Besetzungen geschrieben, auch elektronische Musik. Seine Komposition Siebensang für Flöte solo wurde 1996 bei der Klangwerkstatt Berlin uraufgeführt.
Danach steht ein Stück der jungen Komponistin Stephanie Haensler (*1986) auf dem Programm. Ihr besonderes Interesse gilt dem Dialog zwischen historischer und aktueller Musik sowie interdisziplinären Denk- und Arbeitsformen. Ihr Werk Heidiidyll für Violoncello solo, das im letzten Jahr entstand, trägt den Schweizbezug bereits im Namen.
Lukas Stamm (*1994) ist Komponist, Pianist und Cembalist. Aufgewachsen in Schaffhausen studierte er Komposition und Klavier in Freiburg im Breisgau, Luzern und Stuttgart. Im Zentrum seiner interpretatorischen wie kompositorischen Arbeit steht die Frage nach dem Verhältnis der Gegenwart zu Geschichte und Tradition. Über sein Stück schreibt er:
„In traces für Flöte, Cello und Klavier betrachte ich das Phänomen der Spur mit musikalischen Mitteln. Klangspuren einer vergangenen Musik, Abdrücke von Debussys pas sur la neige bilden den Hintergrund einer Landschaft von Klangereignissen, die uns oft fremd und fern und doch auch mit großer Intensität unglaublich nah erscheint. Das Stück eröffnet Klangräume durch den kompositorischen Umgang mit Resonanzen. Möglichkeiten, insbesondere des Klaviers, den Nachhall von Klängen zu gestalten, werden erforscht. Ein Instrument hinterlässt seine Spur in der Stimme eines anderen, Stimmen begegnen und Spuren kreuzen sich.“ (Lukas Stamm)