Kunstquartier Bethanien, Studio 1

Freitag 10.11., 20.00 Uhr – Videodokumentation

Strategies of Whole and Broken

ensemble mosaik & Klexos

Bild des ensemble mosaik und des Saxophonquartetts KLexos auf der Bühne.
© Klexos

Programm

  • Huihui Cheng
    Your smartest choice(2017)
    für Bassklarinette, Klavier, Violine, Viola und Elektronik
  • Marisol Jiménez
    Sed Libera(2022)
    für Saxophonquartett und Liveelektronik
  • Andreas Eduardo Frank
    noise is a common sound II(2018)
    für Flöte, Oboe, Klarinette, Saxophon, Keyboard, Violine, Viola, Violoncello, Schlagzeug, Video und Elektronik
  • Manuel Rodríguez Valenzuela
    Amigos imaginariosDEA(2023)
    für Saxophonquartett
  • Pedro González Fernández
    DuelUA(2023)
    für Flöte, Klarinette, Violine, Viola, vier Saxophone, Moderator, Liveelektronik und Video
    Kompositionsauftrag finanziert aus Mitteln der von der Fundación Cidade da Cultura geförderten Künstlerresidenzen von Gaiás, REGA 23, des Resis Festivals und der Klangwerkstatt Berlin
  • Interview
    Ernst Surberg, Marisol Jiménez und Pedro González Fernández im Gespräch mit Leonie Reineke

ensemble mosaik

Kristjana Helgadottir – Flöte | Simon Strasser – Oboe | Christian Vogel – Klarinette | Martin Losert – Saxophon | Simone Beneventi – Schlagzeug | Ernst Surberg – Klavier, Keyboard, Moderation | Chatschatur Kanajan – Violine | Karen Lorenz – Viola | Niklas Seidl – Violoncello

Klexos

Jesús Gallardo Nieto, Javier Juanals Márquez, Pablo González Balaguer, Carlos Tena González – Saxophon

Arne Vierck & Pedro González Fernández – Klangregie
Leitung: Enno Poppe
Moderation und Gespräche: Leonie Reineke


Mit dem Berliner ensemble mosaik, gegründet 1997, und dem spanischen Saxophonquartett Klexos, das sich 2016 als Ensemble formierten, treffen zwei Ensembles unterschiedlichster Besetzung und Generationen aufeinander. Sie eint ihr gemeinsames Interesse an grenzüberschreitenden, multimedialen und performativen Konzertformaten. Die sich seit einigen Jahren entwickelnde Zusammenarbeit mit Klexos stellt mosaik nun erstmalig in Berlin vor. Im Zentrum steht das für beide Ensembles entstandene multidisziplinäre Ensemblestück Duel (2023) des spanischen Komponisten Pedro González Fernández. Auf spielerische Weise kommentiert es Hierarchien, Wettbewerb und Auswahlprozesse im Kontext der zeitgenössischen Musikaufführung. Beide Ensembles bringen darüber hinaus aktuelle Stücke ihres eigenen Repertoires mit.

Huihui Cheng: Your smartest choice (2017)
Der Konzertsaal ist nicht mehr die einzige Möglichkeit, Musik zu hören. Die Allgegenwart digitaler Medien hat unsere Hörgewohnheiten tiefgreifend verändert. Lautsprecher und elektronische Geräte erleichtern das Hörerlebnis unter freiem Himmel, in Gärten oder auf Bahnhöfen und eröffnen neue akustische und klangliche Umgebungen, in denen die Atmosphäre und der Charakter des Ortes auf interessante Weise mit der musikalischen Aufführung interagieren können. Der theatralische Aspekt dieser Aufführungen verändert auch das Zuhören und ermutigt die Teilnehmer:innen eines bestimmten gesellschaftlichen Ereignisses, zu beobachten, zuzuhören, aufeinander und auf die Umgebung zu reagieren.
Smartphones sind zu einem Teil unseres Lebens geworden und sind eng mit unserer Privatsphäre verbunden. Die Verwandlung dieser Geräte in ein virtuelles Musikinstrument versetzt die Zuhörer:innen in einen aktiven Hörzustand, in dem sie aufgefordert werden, ihr Gerät zu klicken, zu bewegen oder zu schütteln, um Teil der Aufführung zu werden, in einem Stück, in dem die musikalische Erzählung ihre Gesten lenkt und einen Dialog zwischen akustischen und virtuellen Instrumenten, zwischen Interpret:innen und Publikum anregt.
Huihui Cheng

Marisol Jiménez: Sed Libera (2022)
Das Stück geht auf ein poetisches Bild zurück, das von einem Gedicht des mexikanischen Dichters Octavio Paz inspiriert ist, in dem der Durst nach dem Meer als unendliche Bewegung beschrieben wird. Ich inter¬pretiere diesen Durst (Sed) als Metapher für die Sehnsucht nach Freiheit. Sich von Hemmungen, Unwissenheit oder Angst zu befreien. Um sich auf eine innere Reise der Selbstentdeckung und Selbstbe¬frei¬ung zu begeben, müssen wir zunächst diesen Drang oder Durst verspüren.
Marisol Jiménez

Andreas Eduardo Frank: noise is a common sound II (2018)
Auch in dem zweiten Stück des ensemble mosaik an diesem Abend geht es um die Frage, wer eigentlich in welcher Rolle die musikalischen Prozesse mitgestaltet. Andreas Eduardo Frank weicht in seinem Stück die Rollenverteilung zwischen Ensemble und Dirigent auf: Der Dirigent steigt in die Performance der Musiker:innen ein, während der Pianist die Steuerung seiner Mitspieler:innen übernimmt.
Frank sieht eine seiner zentralen Aufgaben im künstlerischen Reagieren auf die Allgegenwart von Internet und sozialen Medien. Man müsse Haltung beziehen und sich auf kritische Art – sei es ernst oder ironisch – damit auseinandersetzen, was ein hyperdynamischer Raum wie das In¬ter¬net mit uns mache, so der Komponist. Der Überforderung durch ubi¬quitäres digitales Rauschen begegnet er mit noise is a common sound II: „Geräusche verfügen über eine – für uns nicht dekodierbare – hohe Informationsdichte, mit der sie unsere Sinne überreizen. Das Stück hat zwar seinen Ursprung in genau diesen, uns überfordernden, be¬fremd¬lichen Klanglichkeiten, doch entrückt es diese harschen Geräusche dem alltäglichen Kontext. […] Digitales Rauschen wird menschlich, bekommt ein Zuhause, einen analogen und lebendigen Resonanzkörper, den wir mit unseren Sinnen ertasten können.“ Hier ist seitens der Musiker:innen Kopf- und Körpereinsatz weit über die im Studium erlernten Fertigkeiten hinaus gefordert, etwa wenn die abwechselnd in Licht und Dunkel getauchten Streicher und Bläser einhändiges Instrumentalspiel mit genau choreografierten Lautsprecherbewegungen zu koordinieren und dabei alle Klänge „so genau und synthetisch wie möglich“ auszuführen haben.
Michael Zwenzner

Manuel Rodríguez Valenzuela: Amigos imaginarios (2023) DEA
Es ist ein Stück, das die Idee der Ehrlichkeit beim Schaffen erforscht. Der Kompositionsprozess eines Werks kann langwierig sein (Wochen/Monate), und während dieser Zeit können sich die eigenen Ideen und Gedanken mehrfach ändern. Jeder Tag bringt eine neue Perspektive, und was an einem Tag vernünftig, richtig, perfekt und ehrlich erscheint, kann an einem anderen Tag das Gegenteil sein, was oft zu Frustration während des kreativen Prozesses führen kann. Der Komponist dieses Stücks beschloss, in den vergangenen zwei Monaten jeden Tag eine kleine Variation zu schreiben, die so ehrlich und konsistent wie möglich mit dem Moment des Schreibens war und die Gedanken, Empfindungen und Erfahrungen des jeweiligen Tages oder Moments repräsentierte und respektierte. Die Variationen werden zu einer Art persönlichem Tagebuch oder täglichen Selbstporträts.
Um eine Einheit innerhalb des Stücks zu schaffen, basieren alle diese kleinen Variationen auf einem fünfstimmigen Motiv von Ben Webster (Danny Boy, Dänemark 1965). Die Wahl dieses Motivs ist in erster Linie persönlich, aber es ist auch durch seine eigene Natur gegeben, da es eine Wärme und einen klanglichen Reichtum widerspiegelt, die dazu dienen, eine harmonische und mikrointervallische Erkundung durchzuführen, eine Eigenschaft, die im gesamten Werk geschätzt wird.
Manuel Rodríguez Valenzuela

Pedro González Fernández: Duel (2023) UA
Duel (dt.: Duell) ist ein multidisziplinäres Performancestück, das Live-Musik, Videoprojektionen und elektronische Klanglandschaften zu einer dynamischen und immersiven Erfahrung für das Publikum verbindet. Das Werk ist eine Zusammenarbeit zwischen einem zeitgenössischen Ensemble und einem Saxophonquartett. Das Ergebnis ist eine reichhaltige und vielfältige musikalische Landschaft, die die Grenzen zwischen den Genres verwischt und zwei Musikensembles mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenbringt, um auf spielerische Weise Hierarchien, Wettbewerb und Auswahlprozesse im Kontext der zeitgenössischen Musikaufführung zu kommentieren.
Pedro González Fernández