Kunstquartier Bethanien, Studio 1

Sonntag 19.11., 17.30 Uhr – Videodokumentation

Fokus Duo IV: Nachtbogen

Duo Reflexion K

Bild vom Duo Reflexion K.
© Olesia Saienko

Programm

  • Gerald Eckert
    Nachtbogen(2001)
    für Flöte und Violoncello
  • Emiliano Turazzi
    Composizione per flauto e violoncello(2017)
    für Flöte und Violoncello
  • Interview
    Gerald Eckert im Gespräch mit Leonie Reineke

Duo Reflexion K

Beatrix Wagner – Flöte | Gerald Eckert – Violoncello



Fokus Duo ist eine vierteilige Festivalreihe, die ausschließlich rein instrumentale Duokompositionen präsentiert.

Im zweiten Konzert des Duo Reflexion K bei der Klangwerkstatt Berlin 2023 stehen sich zwei Werke gegenüber. Der polare Ansatz fokussiert die Idee der Konzentration. Es ist ein Abend der zerbrechlichen Klänge. Komplexe Obertonmixturen und gerade noch Hörbares loten den akustischen und architektonischen Raum aus. Die Wahrnehmung changiert zwischen Noch-Nicht, Präsenz und Nicht-Mehr.

Composizione per flauto e violoncello heißt das zentrale, rund 45-minütige Stück, das der italienische Komponist Emiliano Turazzi für das Duo geschrieben hat. Die gewollte Brüchigkeit der Klänge, das Unsichere erzeugt beim Hören gerade in den Gegensätzen der Dynamik und dem Wechsel von statischen und impulshaften Abschnitten eine enorme Spannung. Die Musik scheint gleichsam „unberechenbar“ aus dem Moment heraus zu entstehen. Ähnlich Gerald Eckerts Duo Nachtbogen: Seine Klangzustände sind wie flüchtige Zwischenräume zwischen den Welten.

Gerald Eckert: Nachtbogen (2001)
In Nachtbogen – der unter dem Horizont liegende Teil der scheinbaren Kreisbahn, die ein Gestirn im Verlaufe seiner täglichen Bewegung an der Himmelskugel beschreibt – werden Klangzustände erzeugt, deren Existenz bereits im Augenblick des Entstehens – des „Hervorholens“ aus dem nicht Sichtbaren – eine Tendenz des Verlöschens aufweisen bzw. in ein Moment des Vergänglichen – des Verschwindens – überführt werden. Die Aufmerksamkeit gilt dabei den Prozessen – den Zwischenräumen – die im Verlauf dieses jeweiligen Verlöschens auftreten. Aufgrund der subtilen Wechsel der Klangzustände erfahren diese in zeitlich offenen Gefügen Anreicherungen – meist durch Veränderung der (Oberton-)Spektren –, durch die in den jeweiligen Klangkomplexen eine zusätzliche Plastizität entsteht.
Gerald Eckert

Emiliano Turazzi: Composizione per flauto e violoncello (2017)
Das Stück besteht aus sechs Teilen. Teil F kann isoliert aufgeführt werden, die anderen fünf müssen in einer Kombination von mindestens drei und nach bestimmten Vorgaben angeordnet, aufgeführt werden. Jeder Mensch kennt den Moment, vor der Wahl zu stehen: verschiedene Möglichkeiten bieten unterschiedliche Lösungen und eine gefallene Entscheidung schließt dann mögliche Alternativen aus.

Jeder Musiker, der sich für eine Form entscheidet, schließt andere – und damit auch eventuell bessere – aus, wobei endgültigen Entscheidungen oft eine ganz eigene Kraft innewohnt, wie sie Dinge, die ihrer eigenen Kreisbahn folgen, entwickeln können.

Mit dieser Unsicherheit arbeite ich bei der Composizione per flauto e violoncello sowohl auf formaler Ebene als auch bei der Auswahl der Klänge und ihrer Entstehung. Ich suche oft nach „unklaren“, unsicheren und instabilen Klängen und denke, dass die offene Form der Komposition dabei eine logische Konsequenz der Klangauswahl ist. Im Laufe der Zeit habe ich auch begonnen, mich mehr und mehr für die räumlichen Aspekte von Klang zu interessieren und diese Beschäftigung führte zu ganz bestimmten Arten des musikalischen Ausdrucks. Dabei habe ich festgestellt, dass der „Klanginhalt“ von der Umgebungsakustik, der eigenen Anwesenheit, der Interaktion mit anderen Anwesenden und – in künstlichen Umgebungen – von der Anwesenheit diffuser Klänge verschiedenartigsten mechanischen Ursprungs abhängt. Die meisten Klangsituationen in diesem Stück resultieren aus dem konzentrierten Hören von akustischen Phänomenen in leeren Räumen.

Composizione per flauto e violoncello ist Beatrix Wagner und Gerald Eckert gewidmet.
Emiliano Turazzi