Kunstquartier Bethanien, Studio 1

Mittwoch 15.11., 20.00 Uhr – Videodokumentation

Fokus Duo I: Zwiegesang

Karen Lorenz & Nikolaus Schlierf

Das Bild zeigt Nikolaus Schlierf und Karen Lorenz beim Musizieren.
© Arnis Kalniņš (Nikolaus Schlierf) und Kai Bienert (Karen Lorenz)

Programm

  • Walter Zimmermann
    Zwiegesang I(2016)
    für zwei Bratschen
    Karen Lorenz & Nikolaus Schlierf
  • Walter Zimmermann
    Taula & Novo Ben(2002/2003)
    für Bratsche und Gesang | Text: Biagio Marin
    Nikolaus Schlierf
  • Walter Zimmermann
    Sha-ma-yim(2016)
    für Bratsche
    written for Moshe Aharonov
    Karen Lorenz
  • Walter Zimmermann
    Quattro Coronati(1999)
    für Cello Piccolo (auch Violoncello), Version für Viola
    Für Dieter Schnebel zum 70sten. In memoriam Yossi Gutmann, gest. 16.12.2019.
    Nikolaus Schlierf
  • Walter Zimmermann
    Das Gras der Kindheit(2006/2010)
    für Bratsche und Gesang | Text: Fuad Rifka
    Karen Lorenz
  • Walter Zimmermann
    Zwiegesang II(2016)
    für zwei Bratschen
    Karen Lorenz & Nikolaus Schlierf
  • Interview
    Walter Zimmermann im Gespräch mit Stefan Streich

Karen Lorenz & Nikolaus Schlierf – Bratsche & Gesang

Gespräch: Walter Zimmermann & Stefan Streich


Fokus Duo ist eine vierteilige Festivalreihe, die ausschließlich rein instrumentale Duokompositionen präsentiert.

Walter Zimmermann – einer der bekanntesten Unbekannten der zeitgenössischen Komposition, kiezverbundener Wahlberliner und Kosmopolit zugleich – ist geprägt durch einen ungeheuer reichen geistesgeschichtlich-kulturellen Kosmos von der Antike bis in die Gegenwart und die unterschiedlichsten Musikkulturen. Querständig zu allen Moden der zeitgenössischen Musik, bleibt sein Werk immer nonkonform und frei.
Das Konzert stellt erstmals und konzentriert die Werke des Komponisten für eine und zwei Bratschen vor. Die Idee des Zwiegesprächs wird hier ins Intimste gewendet: Neben Duos der beiden Bratschen treten Zwiegesänge der beiden Solist:innen mit sich selbst: solistisch gleichzeitig singend und auf ihrem Instrument spielend, sich selbst zuhörend und interagierend. Mit zwei der versiertesten Bratschist:innen der Neuen Musik überhaupt, Karen Lorenz vom ensemble mosaik und Nikolaus Schlierf als Gründungsmitglied des Sonar Quartetts, findet diese sehr besondere Musik Zimmermanns ihre ideale Besetzung.

Dass Musiker:innen singen und sich dabei selbst begleiten ist Kernbestand vieler Musikkulturen, auch der europäischen Volks- und Popularmusik. Aus der europäisch geprägten Kunstmusik wurde diese Praxis aber vor langer Zeit verbannt. In einem Gespräch mit dem Lautenisten Peter Söderberg äußert sich Walter Zimmermann dazu:

wz (Walter Zimmermann) Ich war ein bisschen naiv, weil ich immer gesungen und colla voce meine eigene Musik auf dem Klavier gespielt habe, was etwas anderes ist, wenn man eine Bratsche spielt und zugleich singt, denn dann muss sich das Ohr auf die Intonation der Bratsche und auf den Gesang zugleich konzentrieren. Ich war also naiv, sorry, aber ich habe einen ganzen Zyklus von Stücken colla voce – sehr schwierig, manchmal – mit Musikern die zugleich singen, komponiert. Und es war teilweise sehr schwierig, die Musiker zu überzeugen, damit auf die Bühne zu gehen. Und ich danke ihnen für ihre Anstrengung. Sehr oft ist meine Musik sehr schwierig zu spielen, aber am Ende klingt sie doch durchsichtig. Deshalb ist der Prozess der Arbeit wichtig, durch einen schwierigen Dschungel hindurch zu einer Transparenz und Leggierità zukommen.

ps (Peter Söderberg) Man könnte diese Stücke auch als eine Reflexion über die die Aufführungspraxis in der klassischen Musik begreifen, wo man sich niemals selbst begleiten würde; es wäre unvorstellbar dass ein Sänger auf die Bühne kommt und die Winterreise mit sich selbst am Klavier sitzend aufführt. Aber hatten Sie das auch im Sinn, eine andere Aufführungssituation als die, die man in einem klassischen Konzertsaal gewohnt ist?

wz Und außerdem ist es sehr reizvoll, wenn die Leute natürlich singen, wissen Sie. Man begegnet dieser Art von Projektion im Liedgesang auch heute noch. Es ist so pompös. Und so wollte ich wieder diese schlichte Art des Singens erreichen – wie gesagt: schwierig.“

Das Stück Novo Ben von 2002/03 ist das erste Werk aus einem Zyklus, der für Instrumentalist:innen geschrieben wurde, die auch singen. „Dieses Projekt schafft eine neue, äußerst anspruchsvolle Disziplin. Es handelt sich nicht nur um einfache Lieder, sondern um eine herausfordernde Auseinandersetzung des Interpreten mit seinem Instrument und seiner Stimme. In einer Zeit, in der sich die Neue Musik stark spezialisiert hat, führt dieser Zyklus zurück zu den Grundformen des Musizierens, die auf die Troubadoure zurückgehen, für die es selbstverständlich war, ihre eigenen Gesangsdarbietungen zu begleiten, auch wenn ihre Lieder einfacher waren.“ (Walter Zimmermann)

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