Kunstquartier Bethanien, Studio 1

Sonntag 12.11., 20.00 Uhr – Videodokumentation

Love.Songs

Ensemble LUX:NM & BAZAR ÉLECTRIQUE

Das Bild zeigt oben ein Gruppenfoto vom Ensemble LUX:NM und unten ein Konzertfoto vom Duo BAZAR ÉLECTRIQUE.
© Andrea Huyoff Slowik (LUX:NM) und Florentin Gautier (BAZAR ÉLECTRIQUE)

Programm

  • Sara Glojnarić
    Artefacts #3(2020)
    Version für Sopransaxophon, Percussion, Klavier, Akkordeon, Violine, Violoncello und Video
  • Aurélio Edler-Copes
    Nocturne – After SatieUA der Fassung(2023)
    Fassung für Baritonsaxophon, Akkordeon und Tape
  • Sarah Nemtsov
    Wolfsgesänge(2019)
    für Violoncello solo, Elektronik und Video
    Videokonzept: Heinrich Horwitz, Rosa Wernecke | Kamera, Schnitt: Rosa Wernecke | Hund: Trixie
  • Aurélio Edler-Copes
    LOVE.SONGSUA(2023)
    für Stimme, Saxophon, E-Gitarre/E-Bass, Synthesizers und Sampler
    Start
    Remix 3
    Remix 5
    Coda
  • Interview
    Ruth Velten im Gespräch mit Leonie Reineke
  • Interview
    Aurélio Edler-Copes im Gespräch mit Leonie Reineke

BAZAR ÉLECTRIQUE

Eloïse Labaume – Stimme | Aurélio Edler-Copes – E-Gitarre, E-Bass, Elektronik

LUX:NM

Ruth Velten – Saxophon | Silke Lange – Akkordeon | Olga Holdorff – Violine | Zoé Cartier – Violoncello | Neus Estarellas Calderón – Synthesizer, Klavier | Vitalii Kyianytsia – Synthesizer | Alexandros Giovanos – Schlagzeug | Martin Offik – Klangregie

Moderation und Gespräche: Leonie Reineke


Love.Songs ist eine Zusammenarbeit des französischen Duos BAZAR ÉLECTRIQUE und des Berliner Ensemble LUX:NM. Das Programm kreist um zeitgenössische Transformationen des Chansons in all seinen Formen und Ausprägungen, um verschiedene ästhetische Klangabtastungen des Liedhaften. In den Fokus rückt der gleichnamige Liederzyklus für verstärkte Stimme und elektrische/verstärkte Instrumente von Aurélio Edler-Copes (UA). Seine Lieder rekurrieren auf Liebeslieder der verschiedensten Epochen und Orten wie die der Troubadoure aus Okzitanien, italienische und englische Madrigale, deutsche Lieder, aber auch französische Chansons oder Pop der 1980er Jahre, die als Ausgangspunkt ganz eigener poetisch-musikalischer Welten dienen.

Auf ganz andere Weise transformiert Sarah Nemtsov den Klang in ihrem großen Solo Wolfsgesänge für Cello, Elektronik und Video, das in hyper-expressive, von Wolfsgesängen inspirierte melodische Linien kulminiert. Sara Glojnarić beschäftigt sich in Artefacts #3 mit der Frage der Nostalgie und dem Umgang mit überkommenem musikalischem Material.

Sara Glojnarić: Artefacts #3 (2020)
Artefacts #3 ist das dritte Stück der Artefacts-Reihe, die sich mit individueller und kollektiver Nostalgie beschäftigt und diese durch die Brille der Popmusik und ihrer kulturellen Nebenprodukte untersucht. In dieser Version geht es um die Fähigkeit von Komponist:innen, sich selbst zu kritisieren, künstlerische Probleme zu diagnostizieren und ein gelungenes von einem misslungenen Werk zu unterscheiden. Beethoven war recht genau in seiner Selbstkritik, sowohl was die künstlerische Qualität als auch die Reaktion des Publikums auf ein Werk anbelangt, wie aus zahlreichen Briefwechseln mit seinen Freunden und Kollegen hervorgeht. Einige seiner Beobachtungen klingen immer noch wahr und nachvollziehbar, wie die über Wellingtons Sieg, in der er sagt: „Ich wurde in die schrecklichste finanzielle Verlegenheit gestürzt“, und damit deutlich seine Abneigung gegen das Stück zum Ausdruck bringt. Das brachte mich dazu, meine eigene Fähigkeit zur Selbstkritik zu untersuchen, indem ich ehrlich über dieses Stück nachdachte, in Echtzeit, während ich es komponierte, als ob es von einem Freund gelesen und sicherlich nicht einem Publikum präsentiert werden würde.

Inspiriert von einem Artikel mit dem Titel „A Quantitative Analysis of Beethoven as self-critic: Implications for psychological theories of musical creativity“ von Aaron Kozbelt.
Artefacts #3 wurde für eine Veranstaltung mit dem Titel Beethoven's Birthday Bash geschrieben, zu Ehren von Beethovens 250. Geburtstag.
Sara Glojnarić

Aurélio Edler-Copes: Nocturne – After Satie (2023)
In Nocturne – After Satie habe ich Eric Saties Gymnopédie n°1 für Klavier als Ausgangspunkt für eine Reise in eine traumhafte, schwebende nächtliche Welt genommen, in der die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit, Schlaf und Erwachen geschmeidig, verschwommen und elastisch wird. Im Gegensatz zu den traditionellen Sampling-Verfahren war es nicht mein Ziel, das Stück aufzubrechen oder in irgendeiner anderen Weise zu organisieren. Ich habe einfach verschiedene Techniken der Tempoveränderung (Zeitdehnung, Variation der Abspielgeschwindigkeit), Verzögerung und Tonhöhenverschiebung angewandt, um die Dauer des Stücks extrem zu verlangsamen und gleichzeitig sein klangliches Spektrum zu erweitern. In einer zweiten Schicht fungieren das Geräusch eines knisternden Plattenspielers sowie weißes Rauschen und pointilistische Sinusschwingungen parallel zu Video-Lichtblitzen auf den Musi¬ker:innen als Marker für den langsamen, unaufhaltsamen Lauf der Zeit.

Die Musiker:innen integrieren und personifizieren dieses Klangmaterial, ohne es zu übernehmen. An die Stelle von Virtuosität tritt hier ein Gefühl des Zuhörens, der Mimikry und der extremen rhythmischen Präzision zwischen Instrumentalspiel, Tonband und Bild.

Nocturne – After Satie ist Teil eines Zyklus von drei Remixen, die auf Stücken aus dem Repertoire des Impressionismus basieren. Das Stück wurde vom TAOS Duo und Musikagileak in Auftrag gegeben. Es wurde im Januar 2023 im Rahmen des Basque Country Contemporary Music Circuit uraufgeführt.
Aurélio Edler-Copes

Sarah Nemtsov: Wolfsgesänge (2019)
Die Komposition ist 2019 für das Projekt Roses for my Funeral entstanden, als Teil eines Abends über den Tod (und das Leben) mit dem Hamburger Ensemble Decoder, Wolfsgesänge speziell für die Cellistin Sonja Lena Schmid, die das Werk uraufführte.

Zwei Saiten des Cellos sind tiefer gestimmt, so ist der Klang unberechenbarer und rauer. Der Klang ist verstärkt, die Farben sind dunkel, die Skordatur (Verstimmung) erlaubt andere Flageolett-Kombinationen, andere Intervalle und Mikrotöne. Das musikalische Material ist reduziert, oder besser konzentriert: gehaltene Klänge, leichte Reibungen, Schwingungen, Ton-Repetitionen, Kreisen und Krächzen, fragile Flageoletts, aber es gibt immer wieder Ausbrüche, verzerrte Klänge, rhythmisierte Glissandi, Impulse, perkussive Loops und schließlich quasi hyper-expressive melodische Linien – von Wolfsgesängen inspiriert. Während des Stücks starten 5 Zuspiele, elektronische Kompositionen, die sich mit Cello vermischen – jeweils 2-3 Minuten lang. Zunächst nur Sinuswellen, tiefe Drones, langsame Glissandi, die einen Raum für das Cello schaffen. Geräusche kommen hinzu, Atmen, unklare Stimmen, später Wölfe und schließlich eine große Collage, die auch andere Musik (verfremdete Zitate), Geräusche, sowie Stimmen (von Menschen und Tieren) integriert, immer wieder von White Noise überschrieben, gelöscht.

Die Wolfsgesänge komponierte ich in memoriam Wolfgang Zamastil (1981-2017), dem wunderbaren Cellisten, Komponisten und Freund, der viel zu früh von dieser Welt gehen musste. Seiner Frau Rike und seinen Kindern ist das Werk gewidmet.
Sarah Nemtsov

„I heard your voice so loud it woke me up.
I don't believe in ghosts

When I look at your son, though, life's hidden meanings come to the front of my vision.

Everything's connected. Right?
Everything's connected.
And even if I can't read it right, everything's a message.
We die.
So others can be born.
We age
So others can be young.
The point of life is live.
Love, if you can. Then pass it on.“
aus: „We die“ – Kate Tempest

Aurélio Edler-Copes: LOVE.SONGS (2023)
Love.Songs ist ein derzeit in Arbeit befindlicher Zyklus von Liedern für Stimme/Vocoder, vier Instrumentalisten (analoge Synthesizer, Sampler, Saxophon, E-Bass) und Elektronik. Ziel des Zyklus ist es, die musikalische Subtilität innerhalb eines Systems aus Stimme und Instrumenten zu erforschen, das durch analoge Effektpedale und Live-Elektronik verändert wird. Der Komponist bezieht sich dabei auf Liebeslieder aus verschiedenen Epochen, von Troubadouren bis zur Popmusik. In einer Reihe von Stücken bearbeitet er bestimmte Elemente der Lieder (Motive, harmonische Wendungen, rhythmische Muster, Klangfarben, Textfragmente usw.) und erforscht sie in seinem persönlichen Werk. Dabei geht es nicht um eine Collage oder ein Zitat, sondern vielmehr darum, sich anderen poetischen Universen zu öffnen und einige ihrer Elemente als Ausgangspunkt für eine neue Kreation zu integrieren.

Die Stimme führt den Hörer durch kontrastierende Universen: Roboter, Radio, gesungen, rezitiert, gesprochen, durch Elektronik transformiert oder wiederum mit Flüstern, das dem Phänomen ASMR [Autonomous Sensory Meridian Response] nahe kommt. Eine verhaltene klangliche Kraft, bereit zu explodieren, die einem Werk Farbe verleiht, das sowohl kraftvoll als auch poetisch ist, das in der Gegenwart verankert ist und gleichzeitig auf die Tradition blickt und sich für die Zukunft öffnet.

Das Stück ist in Zusammenarbeit mit dem Ensemble LUX:NM (Berlin) und Bazar Électrique (Paris) entstanden, mit Unterstützung von Impuls Neue Musik, dem Goethe-Institut und dem Aide à l'Écriture Musicale des französischen Kulturministeriums.

Start und Remix 3 beziehen sich auf den Song With or Without von U2, Remix 5 auf Berlin von Ry X, und Coda ist ein Mix aus den Top 100 Liebesliedern der 1980er Jahre.
Aurélio Edler-Copes

Remix 3
Can you hear these soft sounds?
___
This is a message for all human beings
There is a flash
Without time
With only breath
Only now
There is a place
Without space
With only light
Only love

Remix 5
Hi, I’m not available right now
Please leave a message after the beep
___
I don’t know exactly what love is …
Is it a feeling?
an energy?
or maybe a force that moves everything in everywhere?
Love
Love
Don’t be afraid
Love is everywhere
Even in the deepest darkness
there is always a spark of love to bring back the light
So come and sing this song with us
Love
Love
____
Hello
Really?
I don’t know …
Let’s play it again
____
For every question the answer is always the same
the answer is always Love
____
Stop!
Oh come on
Let’s play something else…
Aurélio Edler-Copes