progress – das Festivalensemble vereint junge Musiker:innen der Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg mit gestandenen Neue-Musik-Expert:innen.

miterlebnis – ein Programm mit sehr diversen Stücken und außerordentlichen Herausforderungen: Pauline Oliveros’ The Witness fordert als Textpartitur die Einzelne gleichermaßen wie das Kollektiv. Infra von Anja Kreysing (UA) macht das Medium Film zur Partitur. Sarah Hennies’ Everything Else entwirft einen Performance-Plan und das Titelgebende miterlebnis als Kollektivkomposition von progress – das Festivalensemble (UA) arbeitet mit Elementen des Klanges, der Visualisierung und des Live-Moments.

Pauline Oliveros: The Witness (1989)
I am interested in music expanding consciousness. By expanding consciousness, I mean that old patterns can be replaced with new ones.
Pauline Oliveros

1989 komponierte Pauline Oliveros The Witness, drei offene Strategien zum Zuhören, Einstimmen und Reagieren auf uns selbst und auf andere. Die Partitur hat zusammen mit Oliveros’ Philosophien von Gemeinschaft und Zusammenarbeit und der Praxis und dem Prozess des Deep Listening® über die Jahrzehnte hinweg eine große Anzahl von Projekten inspiriert. Die Witness-Partitur ist sowohl die Keimzelle von The Witness als auch das Leitprinzip, nach dem die Forschungsprojekte organisiert sind.

Katastrophale Brände, Dürren und andere Folgen des Klimawandels sowie Kriege, die Vertreibung von Menschen und andere menschliche Handlungen verändern unsere Welt radikal und schnell. Oliveros’ Appell, aufmerksam zu sein, gewinnt heute noch mehr an Dringlichkeit. The Witness ist ein wichtiges Instrument, das uns in diesen Zeiten dazu anleitet, uns auf die lebendige Welt einzustellen, die wir mit gefährdeten Ökosystemen und ihren Bewohnern, menschlichen und nicht-menschlichen, teilen, anstatt sie zu beherrschen.

The Witness ist in der Idee verankert, dass die Künste uns zusammenbringen können – indem sie uns mit unseren Ursprüngen verbinden, das Bewusstsein für die entstehenden und sich ständig verändernden Herausforderungen unseres Planeten und der Menschheit schärfen, nachhaltigere Lösungen aufzeigen und eine tiefere Spiritualität kultivieren.
Julie Beauvais

Anja Kreysing: infra (2021) UA
Infra ist das dritte Video aus ihrer Stadttrilogie, die die Klang- und Medienkünstlerin Anja Kreysing ursprünglich für die Experimentalvideoreihe ins and outs des Kunstraumes No Cube produziert hat. Infra war ursprünglich als audiovisueller Experimentalfilm gedacht, den Kreysing der Düsseldorfer Medienkunstpionierin Nan Hoover gewidmet hat. Thema ist hier die Wärme als das das städtische Klima prägende Element, welche die verschiedenen architektonischen Elemente der Stadt in eine zwischen Auflösung und rhythmischer Gliederung oszillierenden Atmosphäre aus flirrender Luft und Feinstäuben taucht.

„In meiner Erinnerung oszillierten Nan Hoover wie auch ihre Arbeiten selbst zwischen Wärme, direkter Klarheit und einer ganz eigenen Sanftheit. Ich habe diese besondere Ausstrahlung weder vor meiner Studienzeit bei Nan Hoover noch nachher jemals wieder erlebt. So habe ich ihr diesen Film gewidmet und gebe ihn gleichzeitig losgelöst von meinem Soundtrack für neuen Interpretationen weiter: Wärme, Transformation, Fluxus.“
Anja Kreysing

Sarah Hennies: Everything Else (2016) DEA
Dieses Werk der Komponistin Sarah Hennies ist Perkussion in dem Sinne, dass eine zeitgenössische Definition von „Perkussion“ fast alles umfassen kann, was nicht bereits als ein anderes Instrument definiert ist (Cello, Klavier, Klarinette usw.).
Hennies zieht Parallelen zwischen queeren Identitäten und dem Dasein als Perkussionist:in, da beide meist durch das definiert werden, was sie nicht sind.

progress – das festivalensemble: miterlebnis (2023) UA
Die Kollektivkomposition von progress - das festivalensemble arbeitet mit perfekt zugeschnittenen Elementen des Klanges, der Visualisierung und des Live-Momentums.
Sylvia Hinz